„Das Geld reicht bis 2015“
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt sprach auf Einladung der SPD-Bundestagsabgeordneten Monika Griefahn in Hittfeld zum Thema „Weiterentwicklung der Pflege in Deutschland“


Hittfeld. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die auf Einladung der Buchholzer SPD-Bundestagsabgeordneten Monika Griefahn in Hittfeld zum Thema Pflege referierte, hat am ersten Adventssonntag gut 160 Interessierte nach Hittfeld ins „ric“ gelockt. „Das Thema kann früher oder später jeden betreffen“, sagte Monika Griefahn. „Wir sind daher froh, dass die Ministerin zugesagt hat, einmal aus erster Hand zu informieren.“

Das tat Ulla Schmidt mit einem Blick in die mittelfristige Zukunft: Unter der Überschrift „Wir werden alle älter …“ informierte sie insbesondere über die Pläne zur Reform der Pflege. Auf dem Podium repräsentierten die AWO-Kreisvorsitzende Angelika Tumuschat-Bruhn und der Einrichtungsleiter Peter Johannsen die Seite der Praktiker und Brigitte Somfleth als SPD-Abgeordnete in Hannover die Landesebene.

Diskussionsrunde 02-12-07

Ulla Schmidt stellte in ihren Ausführungen dar, welche Ziele mit der Pflegereform verfolgt werden sollen. Ganz oben steht für die Ministerin die Würde. Das bedeute zum einen, dass Menschen mit Pflegebedürftigkeit nicht reihenweise in die Sozialhilfe rutschen dürften. Dies sei mit der Einführung der Pflegeversicherung von rund 80 auf 25 bis 30 Prozent aller Fälle reduziert worden. Würde meine aber auch, dass die Pflegekräfte für ihre schwere Arbeit ordentlich entlohnt werden müssten. Im Gesetz werde daher festgelegt, dass ortsübliche Löhne gezahlt werden müssten. Monika Griefahn bekräftigte das: „Wir brauchen gesellschaftliche Anerkennung. Es kann nicht sein, dass Menschen, die mit Schrauben arbeiten, mehr verdienen als die, die mit Menschen arbeiten.“ Insgesamt soll es mit der Pflegereform mehr Wahlmöglichkeiten geben. „Die Kassen müssen den Wünschen der pflegebedürftigen Personen so gut wie möglich entsprechen“, fuhr Schmidt fort. Darum solle Pflege möglichst in erster Linie ambulant und wohnortnah stattfinden. Auch neue Modelle müssten ernst genommen werden. Viele Alte könnten sich heutzutage vorstellen, in einer Wohngemeinschaft zu wohnen. Das mache es auch für die Pflegedienste leichter. Allein die wegfallenden Fahrtzeiten schafften mehr Raum für die eigentlichen Pflegetätigkeiten. Ziel der SPD sei es auch weiterhin, für einen Angehörigen gehaltsneutral eine Freistellung von der Arbeit zu erreichen, wenn ein Pflegefall in der Familie eintritt.

Die wichtigste Neuerung, über die allerdings ebenfalls noch Einigungsbedarf mit dem Koalitionspartner besteht, ist die Einrichtung von Pflegestützpunkten als zentrale Anlaufstelle für pflegende Angehörige. Auf die Pflegeberater soll es einen Rechtsanspruch geben. Sie sollen nach dem Willen von Ulla Schmidt auch mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet werden, könnten beispielsweise ohne langes Hin und Her einen Rollstuhl genehmigen, wenn er gebraucht wird.

Die Ministerin wollte in der Pflege-Debatte auch das Thema „Prävention“ nicht missen. Modellprojekte hätten gezeigt, dass es für präventive Maßnahmen nie zu spät sei: So habe Bewegungstraining im Modellversuch zu 44 Prozent weniger Stürzen geführt und sich als geeignete Sturzprophylaxe erwiesen. So könne die Gefahr vermindert werden, dass Senioren zum Beispiel nach einem Oberschenkelhalsbruch nicht wieder auf die Beine kämen. Schmidt: „Prävention muss eine eigenständige Säule im Gesundheitssystem werden.“

Kritik an den Plänen der Ministerin gab es gleichwohl: die AWO-Kreisvorsitzende Angelika Tumuschat-Bruhn äußerte Bedenken, ob das Konzept der Pflegestützpunkte erfolgreich sein könnte, wenn die Pflegekassen die Stützpunkte organisieren würden. Das aber soll laut Ministerin nur eintreten, wenn Kommunen sich dieser Aufgabe entziehen.

Peter Johannsen, Heimleiter in Tostedt, stellte dar, wie sehr Angst das Handeln in Pflegeheimen bestimme: Das Personal habe Angst vor den Kontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. Alte Menschen hätten durch die Negativmeldungen Angst vor dem Heim. Die generelle Angst, die Pflegeversicherung bleibe unterfinanziert, konnte Ulla Schmidt nur mittelfristig nehmen: So wie man sich bislang in der Regierung geeinigt habe — auf eine Anhebung der Pflegesätze um 0,25 Prozentpunkte —, reiche das Geld bis 2015.

Es debattierten zum Thema „Pflege in Deutschland“ (v.l.n.r., auf dem Bild oben): Einrichtungsleiter Peter Johannsen, AWO-Kreisvorsitzende Angelika-Tumuschat-Bruhn, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn und SPD-Landtagsabgeordnete Brigitte Somfleth.